Villach, Evangelische Kirche im Stadtpark – Reil 1994, II/18


Die Kirche im Stadtpark beherbergt seit 1994 ein Instrument der niederländischen Orgelbaufirma Reil. Es ist in Klang und Disposition an Vorbildern des barocken niederländischen Orgelbaus orientiert. Das zeigt sich auch in der kürzeren Bauform der Pedaltasten und der Ausführung der Manualkoppel als Schiebekoppel. Unter den Registern sind die Quintadeen 8 voet – ein zartes Register mit der Duodezim als besonders farbigem Oberton – und die Zungenstimmen in allen drei Werken besonders hervorzuheben. Das Instrument eignet sich aber nicht nur hervorragend für die niederländische oder norddeutsche Barockmusik, es ist auch vielseitig für moderne Orgelmusik und Liedbegleitung einsetzbar und ermöglicht mit seinen weichen Prinzipalregistern auch die Umsetzung von Stücken aus dem Repertoire des 19. Jahrhunderts.

Die Kirche im Stadtpark ist, getragen von engagierten Musikliebhabern in Villach, Ort für die Geistliche Abendmusik, eine Reihe monatlicher Konzerte mit Orgel- und Kammermusik.

Website der Orgelmakerij Reil

Disposition

Hauptwerk  (C-g“‘)

Praestant 8 voet
Roerfluit 8 voet
Octaaf 4 voet
Quint 3 voet
Octaaf 2 voet
Mixtur 4-8 sterk
Trompete 8 voet

Oberwerk (C-g“‘)

Holpijp 8 voet
Quintadeen 8 voet
Preastant 4 voet
Fluit 4 voet
Gemshoorn 2 voet
Sesquialter 2 sterk
Dulciaan 8 voet

Pedal (C-f‘)

Subbas 16 voet
Octaav 8 voet
Octaav 4 voet
Fagot 16 voet

Spielhilfen
Pedalkoppel I, Pedalkoppel II, Schiebekoppel, Tremulant, Ventiel

Klangbeispiele

Zum Vorgängerinstrument: Rieger 1907

Text: Pfarrer Mag. Arno Preis

Im Jahre 1906 erhielt das Presbyterium von der Firma Gebr. Rieger in Jägerndorf (Österreichisch­ Schlesien), ein Offert für eine Orgel mit 12 Regi­stern stern und 2 Manualen und Pedal inklusive Fracht bis Villach und Aufstellung in der Kirche in der Höhe von 5.140,- Kronen (nach heutiger Berech­nungca. S 272.000,-). Am 8. April 1907 wurde der Fa. Rieger der Auftrag erteilt.

Bereits im Oktober 1907 konnte die Orgel in der evangelischen Kirche auf­gestellt werden. Die prompte Erledigung des Auftrages war möglich, da die Orgel bereits in den Jahren 1903/1904, das Orgelgehäuse vermutlich in den Jahren 1904/1905 gebaut wurde. Das Pfeifenmaterial stammt teilweise sogar aus der Zeit vor 1890.

Von einer „besonderen Orgelweihe“ wurde abgesehen, doch sollte „Herr Lehrer Senn im folgenden Sonntagsgottesdienst, am 27. Oktober 1907, er­sucht werden, einige Präludien zu spielen“. Und am Sonntag, dem 3. No­vember 1907, wurde das erste Orgelkonzert veranstaltet. Zwei Personen verbinden sich im besonderen mit der Geschichte der alten Orgel unserer Kirche: Herr Albin Köch(e)1, Fachlehrer und später Direktor der Bürgerschule und dessen Sohn Herr Othmar Köch(e)1. Herr Dir. Albin Köch(e)1 war von Beginn an, also 1907 bis zu seinem Tode im Jahre 1951 Organist unserer Kirche, nach dessen Tod übernahm sein Sohn Othmar die Agenden des Orgelspiels, wieder bis zu seinem Tod im Jahre 1976. Im Jahre 1910 wünschte sich Dir. Köchl für die Orgel eine elektrische Be­leuchtung.

Im Jahre 1923 wurde die erste Reinigung und Stimmung der Orgel durch­geführt und da betrugen die Kosten aufgrund der galoppierenden Inflation 2.086.200,- K. Im selben Jahr drängte Herr Dir. Köchl auf die „zeit- und zweckmäßige Einführung eines elektrischen Betriebes des Orgelgebläses“. Aber auf die Verwirklichung seines Wunsches mußte er noch bis zum Jahre 1926 warten. Die Fa. Rieger aus Jägerndorf übernahm den Einbau eines elektrischen Orgelgebläses. Die Kosten betrugen S 1.320,36 und der Einbau erfolgte am 11. und 12. Oktober 1926.

1936 wurde eine neuerliche gründliche Reinigung und Stimmung fällig. Doch diesmal wurde mit den Arbeiten die Klagenfurter Firma Rudolf No­vak betraut. Und die Reinigung entpuppte sich nach der Innenrenovie­rung der Kirche im Jahre 1935, aufgrund der starken Verstaubung, als rela­tiv großer Eingriff: Bis zum Jahre 1937 tat unsere Orgel ohne weitere Repa­ratur ihren Dienst. Bei der kompletten Außen- und Innenrenovierung der evangelischen Kirche wurde zuerst das Orgelgehäuse um S 33.000,- restau­riert. Im Jahre 1976 wurde die Firma Novack mit den Renovierungsarbeiten der Orgel betraut. Die Reparatur kostete S 139.000,-. Dabei wurde der 16′ (= 16 Fuß) im ersten Manuale durch einen viel zu scharf klingenden 2′ ersetzt.

In der Presbyteriumssitzung am 12. 10. 1976 bemerkte der damalige Kura­tor Dr. Salzer: „Sie (die Orgel) wird mindestens 25 Jahre keine wesentlichen Reparaturen benötigen und keine weiteren Kosten verursachen“. In diesem Jahr verstarb der langjährige Organist, Herr Othmar Köchl. Und seine Tä­tigkeit wurde durch den Kantor i. R. aus Deutschland, Herrn Helmut Ratt­ke, und Frau Kriemhild v. Aigner übernommen. Später kamen noch Willi Jandl, Klaus Neubauer, Ulli Themeßl und Prof. Robert Wernig dazu.

Doch die am Beginn unseres Jahrhunderts eingesetzte modernste Technik beim Orgelbau zeigte sich im Laufe der Jahrzehnte als nicht zielführend. Im 19. Jhdt. erregte diese Technik, entwickelt vom englischen Orgelbauer Barker, großes Aufsehen. Das Problem lag in der Verzögerung zwischen Tastendruck und Pfeifenansprache, was eine Beeinträchtigung der Spielge­nauigkeit und Spielvirtuosität bedeutet. Es hat sich doch herausgestellt, daß die beste Orgelsteuerung in technischer und klanglicher Hinsicht die Schleiflade mit mechanischer Traktur ist. Denn, da zwischen Spieler und Pfeifen eine größere Entfernung liegt und dadurch damit eine gewisse Tonverzögerung verbunden ist, kontrolliert der Spieler das Spiel nicht mit dem Gehör sondern mit dem Fingerspitzen­gefühl. Die mechanische Traktur trägt somit entscheidend für die Sauber­keit des Spieles bei.

So geht unsere „Alte Orgel ins Altersheim“, nicht weil diese „pensioniert wird“, sondern weil sie von einem Altersheim für die anstaltseigene Kirche übernommen wird. Dort wird sie bei den Gottesdiensten nach Reinigung, Reparatur und Stimmung ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt. Dieses Altersheim liegt in Gaildorf bei Schwäbisch Hall in Deutschland. Die Ausfuhrgenehmigung wurde vom Denkmalamt erteilt. Über diese Lö­sung sind wir sehr glücklich, da ansonsten die gesamte Orgel aus Gründen des Denkmalschutzes „eingemottet“ hätte werden müssen. So hat sie wei­terhin eine nicht unwichtige Funktion zu erfüllen. Die neuen Besitzer übernehmen auch die Kosten für Abbau, Aufbau und Reparatur unseres 90 Jahre alten Instrumentes, das uns so lange treu durch unser gottesdienstliches Leben begleitet hat.